Bei rund einem Drittel aller europäischen Erwachsenen liegt eine Kurzsichtigkeit vor.1 Was genau sich hinter dieser Form der Fehlsichtigkeit verbirgt, welche Symptome Kurzsichtigkeit auslösen kann und wie sie sich beheben lässt, wird nachfolgend erklärt.

Was ist Kurzsichtigkeit?

Kurzsichtigkeit (Myopie) ist eine Form der Fehlsichtigkeit, bei der sich der Brennpunkt des Auges vor der Netzhaut befindet. Dadurch können weiter entfernte Objekte nur unscharf wahrgenommen werden. Der Grund für die Verlagerung des Brennpunkts ist meist ein zu langer Augapfel. Auch eine zu hohe Brechkraft von Linse und/oder Hornhaut kann zu einer Kurzsichtigkeit führen. Sehhilfen wie Brillen oder Kontaktlinsen können die Fehlsichtigkeit korrigieren. Dank einer Zerstreuungslinse in der Sehhilfe kann ein scharfes Bild auf der Netzhaut entstehen.

Was sind die Ursachen von Kurzsichtigkeit?

Als Ursachen für Kurzsichtigkeit kommen sowohl genetische als auch Umweltfaktoren in Frage. Meist wird die Kurzsichtigkeit bereits im Kindes- und Jugendalter bemerkt. Als mögliche Risikofaktoren gelten vermehrte Tätigkeiten im Innenraum und sogenannte Naharbeit (Tätigkeiten am Bildschirm oder Lesen). Zu wenig Tageslicht soll zu einer verminderten Dopaminkonzentration in der Netzhaut und dadurch zum Längenwachstum des Auges mit Kurzsichtigkeit als Folge führen. In Deutschland beträgt die Häufigkeit der Kurzsichtigkeit in der Altersklasse 0 - 17 Jahre bei Jungen 9,6%, bei Mädchen 13,7%; in der Altersklasse 14 - 17 Jahre bei den Jungen 23%, bei den Mädchen 35%.2

Zusatz-Info: Kurzsichtigkeit kann auch erst später im Leben entstehen, wenn sich der Linsenkern eintrübt (grauer Star) und so eine veränderte Brechkraft verursacht. Diese Form der Myopie erfordert eine besondere Behandlung: Die trübe Linse wird operativ entfernt und durch eine Kunstlinse ersetzt (Operation des grauen Stars).

Welche Symptome verursacht Kurzsichtigkeit?

Das wesentliche Symptom von Kurzsichtigkeit ist eine verschwommene Fernsicht. Während Objekte in unmittelbarer Nähe klar und scharf wahrgenommen werden, erscheinen weiter entfernte Objekte unscharf. So sehen Betroffene zum Beispiel die Schrift in einem Buch beim Lesen klar und deutlich. Straßenschilder beim Autofahren können dagegen nur schwer entziffert werden.

Wie wird Kurzsichtigkeit diagnostiziert?

Die Diagnosestellung erfolgt in der Regel beim Augenarzt: Mithilfe von objektiven Messverfahren (Refraktometer, Skiaskopie) wird die Brechkraft des Auges gemessen. Bei Bedarf werden die Pupillen im Vorfeld künstlich erweitert.

Welche Werte stehen für Kurzsichtigkeit?

Die Brechkraft des Auges wird in Dioptrien angegeben. Kurzsichtigkeit wird mit einem negativen Wert angezeigt: 

  • Werte von bis zu -3 Dioptrien = geringe Kurzsichtigkeit 
  • Werte zwischen -3 und -6 Dioptrien = mittlere Kurzsichtigkeit 
  • Werte über -6 Dioptrien = hohe Kurzsichtigkeit

Welche Folgen kann Kurzsichtigkeit haben?

Kurzsichtige haben ein erhöhtes Risiko für Begleit- und/oder Folgeerkrankungen am Auge: 

  • Veränderungen an der Makula (z. B. Wassereinlagerungen oder Gefäßneubildungen) 
  • Veränderungen des Sehnervs (kann Unterscheidung zum grünen Star erschweren) 
  • Netzhauterkrankungen (z. B. Lochbildung oder Netzhautablösung)

Wichtig: Sollten plötzliche Sehbeschwerden wie Blitze, Schatten, Punkte, Flecken oder Wellenlinien vor dem Auge auftreten, ist eine ärztliche Abklärung unbedingt erforderlich.

Kann man Kurzsichtigkeit vorbeugen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit denen sich das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit im Kindesalter aufhalten oder zumindest verlangsamen lässt.

20-20-2-Regel

Diese Methode ist leicht umsetzbar: Pro 20 Minuten sogenannter Naharbeit (Bildschirm, Handy, Lesen) sollten Kinder 20 Sekunden in die Ferne sehen und mindestens 2 Stunden täglich bei Tageslicht im Freien verbringen.

Atropin-Augentropfen

Um das Längenwachstum des Augapfels bei Kindern zu stoppen, können Atropin-Augentropfen in niedriger Dosierung verabreicht werden. Eine Verordnung durch den Augenarzt ist notwendig. Die Kosten werden normalerweise nicht von der gesetzlichen Krankenkasse getragen.

Spezielle Kontaktlinsen und Brillen

Spezielle formstabile Kontaktlinsen, die nachts getragen werden, können die Hornhaut verformen und so deren Brechkraft verändern. Neuartige weiche Kontaktlinsen wiederum können einen hemmenden Effekt auf das Längenwachstum des Augapfels ausüben. Ebenso können spezielle Brillengläser angepasst werden. Diese weisen auf der Vorderseite viele kleine Pluslinsen auf und vermindern so den Anreiz des Auges zum Längenwachstum. Welche Variante infrage kommt, muss individuell mit dem Augenarzt abgeklärt werden. Eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse ist in der Regel nicht möglich.

Wie wird Kurzsichtigkeit behandelt?

Die Korrektur der Fehlsichtigkeit erfolgt normalerweise mit einer Sehhilfe. Werden Brille oder Kontaktlinsen nicht toleriert, kann die Myopie mithilfe eines Laserverfahrens behandelt werden. Dabei wird die Hornhaut dauerhaft umgeformt, um ihre Brechkraft zu verändern. Je nach Ausgangssituation können auch andere Operationsverfahren sinnvoll sein. Hierbei wird entweder eine Kunstlinse vor die natürliche Linse gesetzt oder die natürliche Linse vollständig ersetzt. Welche Methode zur Behandlung von Kurzsichtigkeit am besten geeignet ist, muss individuell entschieden werden.

Quellenliste

1  Wolfram C, Höhn R, Kottler U, Wild P, Blettner M, Bühren J, Pfeiffer N, Mirshahi A. Prevalence of refractive errors in the European adult population: the Gutenberg Health Study (GHS). Br J Ophthalmol. 2014 Jul;98(7):857-61. doi: 10.1136/bjophthalmol-2013-304228. PMID: 24515986, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24515986/ (Datum des Zugriffs: 11.04.2023)

2  Schuster AK, Krause L, Kuchenbäcker C, Prütz F, Elflein HM, Pfeiffer N, Urschitz MS. Prevalence and Time Trends in Myopia Among Children and Adolescents. Dtsch Arztebl Int. 2020 Dec 11;117(50):855-860. doi: 10.3238/arztebl.2020.0855. PMID: 33612155; PMCID: PMC8025934., https://www.aerzteblatt.de/int/archive/article/217031/Prevalence-and-time-trends-in-myopia-among-children-and-adolescents-results-of-the-German-KiGGS-study (Datum des Zugriffs: 15.02.2024)